Autor

Tabea Böhler

Gesundheit, 18. Januar 2023

Ernährungsmedizinerin, Trainerin für EMS & HIIT-Workouts und leidenschaftliche Sportlerin.


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Grafik, die darstellt, wie unser Darm durch eine Lupe aussieht

Das Mikrobiom – Welche Rolle spielt es für unsere Gesundheit?

Das Mikrobiom – viele sprechen bereits von einem Super-Organ, weil es eine so zentrale Rolle für unser Leben spielt. Es leistet unverzichtbare Dienste bei der Verdauung und soll über einen engen Kontakt mit unserem Hirn sogar auf unsere Psyche wirken. Ein Zusammenhang des Darm-Mikrobioms mit einer ganzen Reihe an Erkrankungen von Diabetes über Herz-Kreislauf-Erkrankungen bis hin zu Alzheimer und Übergewicht wird diskutiert. Was das Mikrobiom eigentlich ist und was du für ein intaktes Mikrobiom tun kannst, erklären wir dir in diesem Beitrag.

Was ist ein Mikrobiom?

Grafik, die darstellt, wie unser Darm durch eine Lupe aussieht

Der menschliche Körper ist Lebensraum für aberbillionen Kleinstlebewesen: Bakterien, Viren, Pilze und Urbaktieren tummeln sich auf der Haut, in der Nase, im Mund, in der Vagina und überall sonst, wo Teile des Körpers direkt oder indirekt mit der Außenwelt in Verbindung stehen. Man nennt diese Lebewesen auch Mikroben oder Mikroorganismen.

Das am besten besiedelte Gebiet ist der Dickdarm. Etwa 1–1,5 Kilogramm bringen die Bewohner dieses Habitats auf die Waage. Meint man die Gesamtheit aller Mikroben, die diesen Teil des Darms besiedeln, spricht man konkreter von dem Darm-Mikrobiom oder auch von Darm-Mikrobiota. Früher, als man viele Mikroorganismen wie Pilze noch der Pflanzenwelt zuordnete, sagte man auch „Darmflora“. Unter Fachleuten gilt der Begriff heute als veraltet.

Mikrobiom oder Mikrobiota?

Prinzipiell können beide Begriffe synonym verwendet werden. In der Fachwelt meint man mit „Mikrobiom“ aber häufig das kollektive Erbgut der Mikrobiota, also die Gesamtheit der DNA aller vorkommenden Mikroorganismen, statt die Mikroben selbst.

Wie gut kennen wir unser Mikrobiom?

Die Forschung zum Thema „Mikrobiom“ steckt noch in den Kinderschuhen. Ungefähr zur Jahrtausendwende beschäftigte man sich erstmals mit dem Thema in der Wissenschaft, seitdem ist der Wissensschatz stetig gewachsen und es wird in zahlreiche Richtungen geforscht. Manches wissen wir heute, vieles aber auch noch nicht. Am besten erforscht sind die Bakterien.

Warum tragen wir Mikroorganismen in uns?

Die Mikrobiota ist von entscheidender Bedeutung für das Funktionieren der Bereiche, in denen sie wohnen. Die Bakterien fühlen sich dort wohl, weil sie sich hier gut ernähren können. Beispielsweise lebt die Mikrobiota der Haut von Molekülen, die unsere Haut produziert. Das Mikrobiom des Darms ernährt sich von Nahrungsbestandteilen, mit denen wir selbst nichts anfangen können und die deshalb unverdaut in die unteren Darmabschnitte gelangen.

Im Gegenzug produzieren Bakterien Stoffe, die uns zugutekommen, z. B. Moleküle, die vor potenziellen Krankheitserregern schützen. Man kann sagen: Der gesunde Mensch lebt mit seinen Bakterien in einer Art Wohngemeinschaft mit beiderseitigem Nutzen.

Wozu dient das Mikrobiom des Darms?

Die Darmgemeinschaft und der Mensch haben einen Prozess wechselseitiger Anpassung durchlaufen, sodass sich eine ausgeklügelte Barriere- und Immunfunktion ausgebildet hat: Das Eindringen der Mikroben in den Körper wird verhindert, ihre Anwesenheit aber toleriert. Die dauerhafte Aufrechterhaltung dieser Symbiose ist eine Grundvoraussetzung der Darmgesundheit. Stellen sich hier Schieflagen ein, trägt das maßgeblich zu einer Vielzahl an Erkrankungen bei.

Jede Art von Bakterium übernimmt eine andere Funktion. Verdauungshelfer zerlegen für den Menschen Nahrungsbestandteile, die für uns selbst unverdaulich sind. Vor allem lösliche Ballaststoffe mögen sie gerne. Diese verwerten sie und produzieren dabei wichtige Substanzen, z. B. in Form von kurzkettigen Fettsäuren, von denen sich wiederum die umliegenden Darmzellen ernähren. Auch Gase werden von den Darmbakterien gebildet. Was das bedeutet, ist dir sicherlich schon klar: Gut versorgte Darmbakterien lassen uns pupsen. „Wer [hingegen] nie pupsen muss, lässt seine Darmbakterien verhungern und ist kein guter Mikrobengastgeber.“, so Giuila Enders in ihrem Buch „Darm mit Charme“.

Wie sieht ein gesundes Mikrobiom aus?

Wie genau eine typisch gesunde Mikrobiota aussieht oder eine krankheitstypische, konnten Forscher bisher nicht ausmachen. Das hängt damit zusammen, dass die Bakterienzusammensetzung von Person zu Person sehr unterschiedlich ist. Trotzdem funktioniert ein gesundes Ökosystem Darm insgesamt sehr ähnlich, weil unterschiedliche Bakterienarten mit ganz ähnlichen Werkzeugen ausgestattet sind und zum Beispiel dieselben Stoffwechselprodukte produzieren.

Auffällig ist in jeden Fall, dass beim Vorliegen vieler Erkrankungen ein Mangel an Diversität, sprich an Artenvielfalt herrscht. Damit einhergehend ist in der Regel auch das Gleichgewicht zwischen guten und eher unerwünschten Zeitgenossen verschoben. Fachleute sprechen hierbei von einer Dysbiose.

Neben den Unterschieden von der einen zur anderen Person, gibt es klare regional beobachtbare Unterschiede. Sie resultieren nachweislich aus der landestypischen Ernährung.

Etwas besorgniserregend ist, dass die Artenvielfalt im Mikrobiom von Bewohnern aus Industrienationen und bei Menschen, die stammeskulturell als Jäger und Sammler leben, massiv unterscheidet. So haben beispielsweise die Hadza (eine Volksgruppe aus Tansania) ein um 50 % diverseres Mikrobiom als Bürger der Industrienationen. Die Verarmung des Mikrobioms ist also ein Problem, das mit unserer heutigen Ernährungs- und Lebensweise zusammenhängt. Das ist keine gute Entwicklung, denn durch ein verarmtes Mikrobiom zählt man zur Risikogruppe für diverse Erkrankungen.

Wie entsteht das Mikrobiom?

Die Besiedlung des Darms beginnt unmittelbar mit der Geburt. Schon allein die Art der Geburt ist für die Mikrobiota maßgeblich. Deshalb ähnelt das kindliche Darmvolk nach einer natürlichen Geburt zunächst dem des mütterlichen Vaginalkanals und dem des Darms. Bei Kindern, die via Kaiserschnitt das Licht der Welt erblicken, ähnelt die Zusammensetzung hingegen stark der Mikrobiota der mütterlichen Haut und wird verstärkt durch Umgebungsfaktoren beeinflusst.

Im weiteren Verlauf nimmt die frühkindliche Ernährung Einfluss auf die Darmbewohner des Kindes. Stillen beispielsweise steuert wertvolle Laktobazillen bei. Dabei ist die frühkindliche Mikrobiota sehr anfällig für Umwelteinflüsse und unterliegt daher starken Schwankungen. Störeinflüsse wie Infektionen des Magen-Darm-Trakts, Antibiotika und übertriebene Hygiene sind in dieser Zeit besonders ungünstig. 

Erst im Alter von zwei bis drei Jahren pendelt sich die Mikrobiota auf eine relativ stabile Zusammensetzung ein. Rund 60–70 % bleiben bis ins hohe Erwachsenenalter ziemlich konstant, während die restlichen Prozent sich kurzfristig durch eine Reihe von Einflüssen beeinflussen lassen.

Wie wird das Mikrobiom des Darms beeinflusst?

In einer Grafik ist dargestellt, welche Faktoren das Mikrobiom fördern und welche es negativ beeinflussen.

Zu den größten Einflussfaktoren auf das Mikrobiom des Darms gehören: Medikamente, Stress, Sport, Zigarettenrauch und die Ernährung. Auch wurde beobachtet, dass die Bakterienvielfalt im Alter zurückgeht. Mikrobiologen vermuten auch hier einen Zusammenhang mit einer erhöhten Krankheitsanfälligkeit.

Während kurzfristige Veränderungen kurzlebig sind und die Mikroben schnell wieder zu ihrer Grundformation zurückfinden, kann ein langfristig eingehaltener Lebensstil bzw. eine überdauernde Ernährungsweise das Darmmikrobiom nachhaltig verändern. Und zwar zum Guten oder zum Schlechten.

Man vermutet sogar, dass eine für das Mikrobiom ungünstige Ernährungsweise über mehrere Generationen hinweg zu einem bleibenden Artenverlust führen kann. In jeder Generation gehen wichtige Mikrobenarten verloren. Dieser Prozess ist vergleichbar mit dem Artensterben in freier Natur. Angesichts dessen leidet das gesamte Ökosystem des Darms, denn mit dem Artensterben gehen wichtige Funktionen verloren. Nachstehend hat das Folgen für die gesamte Gesundheit.

Auch Antibiotika können bleibende Veränderungen einleiten. Daher sollten diese Wirkstoffe so selten und wirkspezifisch wie möglich und immer streng nach ärztlicher Anweisung eingenommen werden.

Unglücklicherweise werden auch in der Tiermast häufig Antibiotika eingesetzt. Das ist mittlerweile zwar ein Stück weit reguliert, kann uns aber immer noch treffen, insbesondere wenn man konventionelles Fleisch verzehrt. Bio-Fleisch ist so gesehen auch hier die bessere Wahl. Weil der Kot der Tiere außerdem gerne als Dünger genutzt wird, können Antibiotika-Rückstände zudem auf unserem Obst und Gemüse landen. Gründliches Waschen ist deshalb nicht nur für Hygienefanatiker angesagt, das Waschen schützt auch unser Mikrobiom.

Wie kann man das Mikrobiom stärken?

Als besonders mikrobenfeindlich wird in der Forschungsgemeinde die typische, westliche Ernährung („Western Diet“) gesehen. Charakterisiert ist diese durch viel (rotes) Fleisch, Wurst, Weißmehlprodukte, Frittiertes, Süßes, Softdrinks, Fastfood und industriell verarbeitete Lebensmittel. Gemüse, Obst und Ballaststoffreiches wird nur selten gegessen. 

Gut für das Mikrobiom ist hingegen eine mediterrane Ernährung, die ohnehin als sehr gesund gilt. Wie sich diese genau gestaltet, haben wir hier für dich zusammengefasst. 

7 Tipps für eine gesunde Darmmikrobiota

  1. Ballaststoffe: Iss mehr ballaststoffreiche Lebensmittel wie Gemüse, Obst, Hülsenfrüchte und Vollkornprodukte. Die meisten von uns nehmen nur die Hälfte der empfohlenen 30 g pro Tag zu sich. Aber Achtung: Beginne langsam. Auf schnelle Veränderungen reagiert unser Darm empfindlich.
  2. Abwechslung: Setze auf Vielfalt in deiner Ernährung. Versuche, jede Woche 30 verschiedene Pflanzen, Nüsse und Samen zu essen. Schaffst du das?
  3. Polyphenole: Iss Lebensmittel, die reich an Polyphenolen sind. Dazu gehören z. B. dunkle Schokolade und Kakao, Beeren, Kirschen, Äpfel, Rotwein und Nüsse.
  4. Fermentiertes: Iss fermentierte Lebensmittel wie Sauerkraut, Kimchi oder Naturjoghurt und greif bei den Getränken öfter mal zu Kombucha, Buttermilch oder Ayran. Sie wirken probiotisch, steuern also direkt gesunde Bakterien bei.
  5. Plant-based: Unsere Bakterien lieben Gemüse und Obst. Versuch deine Ernährung deshalb vermehrt pflanzenbasiert zu gestalten. 
  6. Entspannung: Auch unser Stresspegel hat Auswirkung auf die Gesundheit unseres Darms und die Zufriedenheit seiner Bewohner. Sorge deshalb für ausreichend Schlaf, regelmäßige Momente für dich selbst und tank regelmäßig frische Luft. Wie du außerdem Stress abbauen kannst, haben wir hier für dich zusammengefasst.
  7. Wenig verarbeitete Lebensmittel: Reduziere den Konsum stark verarbeiteter Produkte wie Food Food und Fertiggerichte.
Verschiedene Lebensmittel sind abgebildet, unter anderem Paprika, Bohnen, Erdbeeren, Zitrone, Lauch und Champignons

Woher weiß ich, dass mein Mikrobiom intakt ist?

Theoretisch kannst du dein Mikrobiom bestimmen lassen. Das Ganze funktioniert in etwa wie ein großes Blutbild, nur gibst du Stuhl statt Blut ab und statt der bekannten Blutparameter tauchen auf dem Auswertungsbogen die Namen der bei dir gefundenen Darmbakterien auf. Zumindest darüber, ob in deinem Darm Artenvielfalt herrscht, erhältst du damit Auskunft. Ob du daraus aber mehr als diese eine Information ziehen kannst, ist eine andere Frage.

Mikrobiom-Labore versprechen dir, mit der Analyse auch gleich die passenden Empfehlungen für die Verbesserung deiner individuellen Gesundheit mitzuliefern. Weil die Wissenschaft aber nun mal noch echt wenig Konkretes über das Mikrobiom weiß (z. B. ist eine Dysbiose Folge oder Ursache einer Erkrankung X?), sind diese Versprechen derzeit noch mit Vorsicht zu genießen. Personalisierte Ernährung anhand des Mikrobioms funktioniert derzeit noch nicht.

Stand heute können noch keine wirklich sinnvollen Ernährungs- und Handlungsempfehlungen aus den Laborergebnissen gezogen werden. Das urteilt auch die Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS). Oft würden sogar Empfehlungen abgeleitet, die die Lebensqualität des Patienten einschränken und im schlimmsten Fall zu einer Mangelernährung führen können. Darüber hinaus liefere die Analytik außerdem „noch keine konsistenten Ergebnisse, die zwischen verschiedenen Laboren vergleichbar wären.“ Wer also dieselbe Probe zur Analyse in zwei verschiedene Labore schickt, wird zwei unterschiedliche Ergebnisse erhalten. Selbst wenn sich also konkrete Empfehlungen ableiten ließe, sähen sie – je nachdem, ob ich die Probe in Labor A oder B abgegeben habe – anders aus.

Das Geld für einen solchen Test kann man sich daher derzeit noch sparen. In ein paar Jahren sind wir vielleicht schon weiter. Ziemlich einig ist man sich in der Forschungswelt auf jeden Fall, dass – angesichts der Erkenntnisse, die in den letzten Jahren über das Mikrobiom gewonnen wurden – in der Erforschung ein riesiges Potenzial liegt. Das ist aber noch ein Stück weit Zukunftsmusik.

So oder so gilt aber: Eine gesunde Ernährung und ein ausgeglichener Lebensstil tut auch unseren Darmbewohnern gut. Wie du das konkret umsetzt, lernst du in unserer Ernährungsberater Ausbildung.

Quellen

Biesalski, H. K, Bischoff, S. C., Pirlich, M. et al. (2017). Ernährungsmedizin. 5. vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage. Stuttgart: Georg Thieme Verlag

Enders, G. (2014). Darm mit Charme. 14. Auflage. Berlin: Ullstein.

Pfeiffer, J. (2018). Teuer und sinnlos: DGVS rät von Stuhltests zur Analyse des Darm-Mikrobioms ab. Abgerufen am 05.01.2023 von https://www.dgvs.de/wp-content/uploads/2018/09/PM_2018_09_Stuhltests-Mikrobiom.pdf

Schaenzler, N., Beigel, F. (2020). Superorgan Mikrobiom. München: Gräfe und Unzer Verlag

Schnorr, S.L., Candela, M., Rampelli, S., et al. (2014). Gut microbiome of the Hadza hunter-gatherers. Nat Commun. 5:3654.

Sonnenburg, E., Smits, S., Tikhonov, M. et al. (2016). Diet-induced extinctions in the gut microbiota compound over generations. Nature 529, 212–215.

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